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Das Potenzial der

Freien Systemischen Aufstellungen

 

 

Keine Angriffsfläche mehr für öffentliche Kritik

Als ich 2003 die Freien Systemischen Aufstellungen entwickelte, erlebte ich parallel dazu und auch die folgenden Jahre, dass das traditionell geführte und therapeutisch begleitete Familienstellen nach Bert Hellinger durch öffentliche Angriffe in der Presse in eine Krise geriet.

Man warf Bert Hellinger oder auch dem Familienstellen allgemein vor, dass

- der Leiter einer Aufstellung gegenüber seinem Klienten dogmatisch auftreten würde.

- die Klienten durch Behauptungen und Grenzüberschreitungen verwirrt werden.

- es ein autoritäres Gruppenverfahren sei und an psychischer Vergewaltigung grenze.

- die Wahrnehmungen von Stellvertretern Humbug seien.

- der Leiter sich anmaßt, als Außenstehender mehr sehen und erkennen zu können, als der Klient selbst.

- der Leiter als „Vermittler einer höheren Macht“ auftreten, ungefragt Ratschläge erteilen und bei Misserfolg dem Klienten die Schuld geben würde.

- das Menschenbild von Hellinger extrem konservativ sei.

- die Erfindung eines „wissenden Feldes“ dem Leiter und den Stellvertretern eine nahezu absolute Macht über den Klienten gebe.

- die Methode unwissenschaftlich und nicht fundiert sei.

- viele therapeutisch unqualifizierte Aufstellungsleiter Seminare anbieten etc.

 

Gleichzeitig zu dieser auftauchenden Kritik ließ der bis dahin anwachsende Boom bei den Familienaufstellungen nach und Aufstellungsveranstaltungen sowie Kongresse wurden weniger besucht als die Jahre zuvor. Dadurch wurde mir das Potenzial des Freien Aufstellens noch klarer, als es vorher schon war.

 

Wird das Familienstellen „frei“ durchgeführt, wie ich es auf der Seite mit den Regeln beschrieben habe, dann ist die logische Folge davon, dass alle öffentlichen Vorwürfe haltlos werden.

- Falls ein Leiter dogmatisch auftreten sollte, kann der aufstellende Teilnehmer sich auch frei dagegen entscheiden und seinen Leiter entlassen, denn er hat gegenüber dem Leiter immer Vorrang. Er ist immer der Chef seiner eigenen Aufstellung.

- Behauptungen sind beim Freien Aufstellen „relativ“ und erscheinen „nur“ noch als Mitteilung einer „persönlichen Meinung“. Sollten dabei Grenzen überschritten werden, so ist jeder eigenverantwortlich und hat auch alle Möglichkeiten, seine Grenzen wieder zu setzen und zu verstärken. Außerdem hat der Organisator die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Grenzen geachtet werden – ansonsten ist dies kein „freies“ Aufstellen mehr.

- Autoritäres Verhalten und psychische Vergewaltigung sind nicht mehr möglich, da jeder frei entscheiden kann, einem autoritär auftretenden Teilnehmer sich nicht weiter zur Verfügung zu stellen. Außerdem kann der autoritär Auftretende aus dem Raum geschickt werden. Und sollte der Organisator bezüglich der aufgestellten Thematik selbst auch nur minimal autoritär (bestimmend) auftreten, ist dies kein freies Aufstellen mehr und er widerspricht sich selbst in seinem Angebot, freies Aufstellen zu organisieren.

- Es spielt keine Rolle mehr, ob die resonierenden Empfindungen von Stellvertretern einer „Wahrheit“ entsprechen oder „Einbildungen“ sind. Entscheidend ist hier nur noch, ob das Verhalten und die Empfindungen der Stellvertreter dem aufstellenden Teilnehmer zu neuen Ideen oder zu lösenden Wirkungen verhelfen – vollkommen unabhängig davon, aus welcher Quelle sie kommen.

- Alles, was ein Außenstehender meint, besser sehen zu können als der aufstellende Teilnehmer, wird immer nur als „Angebot“ und als „persönliche Meinung“ dem Aufstellenden zur Verfügung gestellt (wie ein „Realitätenkellner“, der verschiedene Realitäten zur Auswahl anbietet) – und der Aufstellenden entscheidet für sich, ob es für ihn passt und Sinn macht oder nicht.

- Ob es eine „höhere Macht“ gibt, entscheidet allein der Aufstellende mit seiner Sichtweise. Er kann auch einfach nur die resonierenden Empfindungen der Stellvertreter als neue Ideen-Impulse nutzen, unabhängig davon, woher diese Empfindungen ursprünglich kommen. Und Ratschläge werden immer nur „angeboten“. Ebenfalls ein Misserfolg wird nur vom Aufstellenden „definiert“ und er entscheidet selbst, was daran „schuld“ sein könnte.

- Menschenbilder werden immer nur als „Möglichkeiten“ angeboten, und der Aufstellende hat die freie Wahl, neue Sichtweisen auszuprobieren und zu testen, ob sie ihm helfen, ob sie auf ihn positiv und befreiend wirken – oder nicht.

- Es spielt keine Rolle mehr, ob es ein „wissendes Feld“ gibt. Es wird einfach nur das eigenverantwortlich genutzt, was sich einem bietet, was einem hilft, oder man lässt es.

- Es spielt keine Rolle mehr, ob die Methode wissenschaftlich fundiert ist. Es spielt nur noch eine Rolle, ob man sich selbst durch die Gefühle von Stellvertretern in seiner Suche nach Lösungen für seine Probleme unterstützt fühlt.

- Es spielt keine Rolle mehr, ob ein Organisator therapeutisch ausgebildet ist, denn er hat keine therapeutische oder beratende Funktion mehr, sondern nur noch die Aufgabe, auf die Erklärung und Einhaltung der Regeln für die Freien Systemischen Aufstellungen zu achten. Ansonsten kann er – wie jedes andere Gruppenmitglied auch – seine persönliche Meinung mitteilen, falls dies vom Aufstellenden gewünscht ist.

 

Therapeutische Hilfe bleibt möglich

Wer bisher nur das therapeutisch begleitete Familienstellen kannte und nun denkt, dass beim Freien Aufstellen therapeutische Interventionen nicht mehr möglich sind, der irrt. Der Aufstellende kann einen eventuell anwesenden Therapeuten oder Berater eigenverantwortlich bitten, für ihn die Aufstellung zu leiten. Und jeder Therapeut kann seine Gefühle, Erkenntnisse und Sichtweisen in vollem Umfang dem Aufstellenden anbieten und mithilfe der Aufstellung nach einer Lösung für den Aufstellenden suchen. Der einzige Unterschied zum bisher üblichen therapeutischen Rahmen liegt darin, dass der Therapeut dem Aufstellenden immer untergeordnet bleibt, seine Ideen als „seine persönliche Meinung / Erfahrung“ anbietet und der Aufstellende immer die letztendliche Entscheidungsgewalt über sich, über seine Grenzen und über seine Aufstellung behält – er bleibt vollständig eigenverantwortlich und autonom.

Die einzigen Interventionen, die nicht mehr vom Therapeuten möglich sind, sind die, die für eine Wirksamkeit eine autoritäre Position als Voraussetzung benötigen. Doch wie viele wissen, könnte eine solche Wirkung eher eine eingrenzende als eine befreiende Wirkung entwickeln. Möglicherweise unterstützt sie den Aufstellenden kaum zur Entfaltung seiner Autonomie als Erwachsener, sondern reaktiviert und bestätigt eher das Machtverhältnis, das er aus seiner Kindheit kennt und worauf so mancher Therapeut hilflos – aber überzeugt – zurückgreift, wenn er nicht mehr weiterweiß.

Ich glaube, dass eine Unterordnung eines gut ausgebildeten und professionellen Therapeuten eine logische Konsequenz seines Berufes ist: seinem Klienten für die Lösung seiner Probleme optimal zur Verfügung zu stehen. Denn der Klient hat das Hauptziel (welches auch immer) – und der Therapeut das untergeordnete Ziel, dem Klienten bei der Erreichung seines Hauptzieles zu helfen. Dabei könnte schon allein der liebevoll gemeinte Gedanke eines Therapeuten: „Ich bin ausgebildet, ich habe viele Erfahrungen und daher kann ich dir auch helfen, wenn du dich meiner Hilfe auch wirklich öffnest…“ eine gegenteilige Wirkung erreichen. Denn schon alleine diese Haltung stellt den Therapeuten (mit seinem Offenheitsmaßstab) über den Klienten und lässt ihn zunächst an der „Offenheit“ des Klienten arbeiten, womit der Klient sich dem Therapeuten zur Verfügung stellt – und nicht umgekehrt.

Eine „Ausbildung“ und die Erreichung bestimmter Qualifikationen im Leiten von Aufstellungen können also gleichzeitig auch kontraproduktiv wirken (eventuell!), wenn sie nicht mit einer klaren Unterordnung unter die Autonomie eines aufstellenden Klienten verknüpft werden. Und eine Unterordnung setzt voraus, ein eventuell auftauchendes Gefühl von Hilflosigkeit gegenüber einem Klienten liebevoll ertragen, achten und vielleicht sogar verstehen zu können – ohne diese Hilflosigkeit mit Fachwissen heilen zu wollen.

 

Leere Mitte = Unterordnung

Des Weiteren wird oft beim „klassischen“ Familienstellen die „leere Mitte“ des Aufstellungsleiters gewünscht – mit dem Hintergrund, im Kontakt mit einem Klienten möglichst keine eigenen Ungleichgewichte mit einfließen zu lassen und damit den Klienten nicht zum Negativen zu beeinflussen. Dies lässt sich meiner Erfahrung nach lösen, indem der Therapeut immer aus der untergeordneten Position gegenüber seinem Klienten Vorschläge macht, und dann seinen Klienten frei bestimmen und wählen lässt, was ihm gut tut und was nicht. Jede Entscheidung eines Klienten wäre voll anzuerkennen, zu achten und als „richtig“ und „momentan stimmig“ für den Klienten zu erkennen.

Meint ein Therapeut, er erkenne ein Fehlverhalten oder einen Fehler oder einen blinden Fleck in der Entscheidung seines Klienten, dann könnte das ein Zeichen dafür sein, dass der Therapeut seinen Klienten und alle seine (unbewussten) Hintergründe, die zu diesem scheinbaren Fehler geführt haben, noch nicht wirklich verstanden hat, dass er nicht sieht, welchen Schritt der Klient gerade macht, ihm also nicht wirklich optimal helfen kann.

Jeder kann indirekt oder direkt vom Problemträger selbst lernen, wie ihm zu helfen ist und welcher Schritt ihm „wirk“lich hilft. Und dazu müsste man ihn und sein individuelles Problem erst einmal vollständig verstehen und als „momentan richtig“ anerkennen lernen. Der Problemträger ist immer der „Lehrer“ und der Helfende immer der „ausprobierende Schüler“. Meint der Schüler, etwas verstanden zu haben, kann er nun dem Lehrer für die Problemlösung ergänzende Vorschläge unterbreiten und beobachten, ob der Lehrer dies auch als wirkungsvolle Ergänzung und Weiterentwicklung des momentanen Zustandes empfindet. Wenn ja, dann ist das die Bestätigung für den Schüler, dass er wirklich verstanden hat.

Bei den Freien Systemischen Aufstellungen ist durch die Regeln automatisch vorgegeben, dass bei der Suche nach Lösungen immer nur der Problemträger entscheiden und wahrnehmen kann, ob dieser Weg gerade hilfreich ist oder nicht, ob das Problem stärker wird oder tatsächlich geringer oder sogar vollständig verschwindet. Alle Personen stellen sich dem Aufsteller und seinen „freien“ Entscheidungen in einer untergeordneten Position zur Verfügung. Und wenn sie das eventuell nicht wollen, können sie auch für sich eine Grenze setzen, nicht zur Verfügung stehen oder für eine Zeit den Raum verlassen. Doch der Kunde bleibt dabei immer der König.

Wer als Therapeut in sich selbst einen Widerstand oder eine Empörung spürt bei dem Gedanken, in die untergeordnete Position zu wechseln und seine „Macht“ abzugeben und dies auch versucht zu rechtfertigen, der könnte eventuell daran ablesen, dass das Thema „Macht“ im Kontakt mit Klienten für ihn noch irgendwie eine Rolle spielt…

 

Untergebene spiegeln die Leitung

Es gibt noch einen weiteren Hintergrund, der die Regel unterstützt, dem Aufsteller den Vorrang zu geben und ihm bezüglich seiner Aufstellung die Chefrolle und damit die vollständige Macht und Kontrolle zu überlassen.

Wer Aufstellungen schon länger kennt und auch Dynamiken im Alltag beobachtet, der wird vielleicht erkannt haben, dass „Untergebene“ oft die Dynamik ihres „Chefs“ spiegeln. Wenn eine Fußballmannschaft häufig verliert, wird der Trainer ausgewechselt. Wenn es Eltern schlecht geht, fühlen sich die Kinder auch nicht wohl und spiegeln es den Eltern. Wenn ein Chef einer Firma emotionale psychische Probleme hat, spiegelt sich dies in den Verhältnissen unter den Angestellten seiner Firma wieder. Viele Berater wissen: Man wird ein System nicht friedlich verändern können, wenn man den Chef des Systems nicht auf seiner Seite hat.

Bestimmt nun der Klient selbst über seine Aufstellung und hat die Chefposition inne, dann ist dies die optimale Vorraussetzung, um eine Aufstellungs-Situation innerhalb der gesamten Gruppe entstehen zu lassen, in der dem Klienten sein Ungleichgewicht möglicherweise ziemlich unverfälscht gespiegelt wird.

Leitet jedoch ein Therapeut an übergeordneter Stelle die Aufstellung und fällt Entscheidungen für die Aufstellung über den Kopf seines Klienten hinweg, weil er weiß, dass er dafür entsprechend ausgebildet ist, die „leere Mitte“ einnehmen kann, mehr Erfahrungen besitzt und als Fachmann dies entscheiden kann, besteht durchaus die Möglichkeit, dass sich trotzdem seine eigenen Dynamiken in der Aufstellung widerspiegeln – und weniger die Dynamiken der Klienten. Und zwar nicht nur im negativen Sinne, sondern auch im positiven. D. h. es könnte sein, dass der therapeutische Aufstellungsleiter eine Aufstellung zu einem Happy End führen kann und eine Lösung erarbeitet, aber nicht, weil dies nun dem Klienten helfen kann, sondern weil der Therapeut dieses Thema selbst bei sich schon erlöst hat und die Aufstellung ihm (dem Therapeuten) nun diese Lösung spiegelt.

Manche Klienten können mit so einer herbeigeführten Lösung aber gar nichts anfangen. Dies könnte eine wunderbare Erklärung dafür sein, warum ab und zu eine traditionell geführte Aufstellung eine für viele tief berührende Lösung zeigt, und ein Klient gleichzeitig diese Lösung nicht wirklich „annehmen“ und „nachvollziehen“ kann, vielleicht sogar eher negativ verwirrt reagiert. Erklärung: Es ist nicht wirklich seine Lösung, sondern – trotz „leerer Mitte“ – die Lösung des Therapeuten, die sich in der Aufstellung gespiegelt hat, also die Lösung der Person, die die Leitungsposition inne hat und im Chefsessel sitzt.

Bei den Freien Systemischen Aufstellungen erlebe ich immer wieder: Wenn sich tatsächlich eine Lösung in der Aufstellung zeigt, während der Aufsteller seine Aufstellung selbst geleitet hat, dann ist der Aufsteller auch tatsächlich erleichtert und empfindet es genauso als Lösung, wie seine Stellvertreter. Es gibt keine Differenz mehr zwischen der Lösung in der Aufstellung und der gefühlten Lösung des Aufstellers.

Im umgekehrten Fall fühlt es die gesamte (untergeordnete) Gruppe, wenn der Aufsteller noch nicht bereit ist, große Schritte zu gehen, sondern nur ganz kleine Schritte macht. Die Aufstellung bleibt oft an der Stelle stehen, an der der Aufsteller im Moment noch nicht weitergehen möchte. Das kann für diejenigen Beobachter anstrengend werden, die in diese Aufstellung persönlich etwas hineinprojizieren, unbedingt helfen wollen und das Potenzial für eine „größere Lösung“ sehen, als der Aufsteller im Moment erreichen möchte/kann.

Ein Beobachter kann sich entsprechend wieder entlasten, wenn er die kleinen Schritte des Aufstellers achtet und sagt: „Wenn du Hilfe für die nächsten Schritte brauchst, dann komme auf mich zu. Ich bin bereit und könnte dir eine Idee anbieten (von der ich aber nicht weiß, ob sie dir auch hilft – das müsste man dann ausprobieren).“ Und entweder der Aufsteller testet und nutzt die Idee – oder er lässt es. Und der Beobachter sieht: „Es ist noch nicht an der Zeit oder es passt im Moment nicht, dass ich erfolgreich auf der Ebene helfen kann, die ich gerade fühle“ – und lässt entspannt los.

 

Die Qualität der Freien Systemischen Aufstellungen

Fazit: Für die hohe oder niedrige „Qualität“ einer Aufstellung sorgt beim Freien Aufstellen also nicht ein ausgebildeter Seminarleiter, sondern der Aufsteller selbst. Es kommt immer darauf an, was ein Aufsteller aus seiner eigenen Aufstellung macht. Gleichzeitig kann dies ein Spiegel für ihn und seine Problematik darstellen und ihn dort abholen, wo er gerade steht. Dabei geht es nicht um die Frage, ob ein Organisator qualifiziert ist, helfen zu können, sondern es geht nur um die grundsätzliche Frage für den Aufsteller: „Was hilft mir? Was wirkt direkt auf mich und mein Problem? Wie komme ich etwas weiter?“ Und der Aufsteller kann so lange / so oft (auch in mehreren Aufstellungen) suchen und mit Stellvertretern experimentieren und die persönlichen Meinungen und Erfahrungen anderer (qualifizierter und unqualifizierter) Personen anhören und ausprobieren, bis er für sich etwas gefunden hat, was ihm einen Schritt weiterhilft. So ist er um eine Erfahrung reicher.

Die Freien Systemischen Aufstellungen bieten also meiner Meinung nach ein optimales Feld für autonome eigenverantwortliche Selbsterfahrung – im wahrsten Sinne des Wortes. Und sie bieten ein unendlich weites Spektrum an Möglichkeiten, denn der Aufsteller darf ja frei entscheiden, was er ausprobieren und experimentieren möchte. Er kann jegliche Form von Aufstellung wählen, die bereits erforscht und entwickelt wurde (verdeckt, offen, autopoietisch, homöopathisch, Problemaufstellung, Aufstellung des Anliegens, Chaosaufstellung, vielleicht sogar etwas Neues dazuerfinden,…). Und ist ein Therapeut anwesend, der das Familienstellen nach Hellinger kennt und selbst praktiziert, dann kann der Aufsteller ihn im Rahmen der Freien Aufstellungen als Leiter wählen und sich „Familienstellen nach Hellinger“ wünschen – mit dem Unterschied, dies auch jederzeit eigenverantwortlich und frei verändern oder beenden zu können, seinen Leiter wieder zu entlassen, einen anderen Leiter zu wählen oder selbst die Leitung zu übernehmen.

Ich erlebe es manchmal bei meinen Veranstaltungen, dass ich zunächst der Gruppe die Regeln der Freien Systemischen Aufstellungen vorstelle und auch am Anfang immer wieder auf die freien Entscheidungsmöglichkeiten des aufstellenden Teilnehmers hinweise – woraufhin neue Teilnehmer sehr oft erleichtert und in gewisser Weise „befreit“ reagieren und ohne Scheu aufstellen wollen (= eine emotionale „Öffnung“ der Teilnehmer durch die Gewissheit, jederzeit Grenzen setzen zu dürfen und sich damit vor zu großen Schritten schützen zu können) – und dann läuft die Aufstellung eines ausgelosten Teilnehmers sehr ähnlich ab, wie bei einer therapeutisch begleiteten Veranstaltung: Ich werde gebeten, mit meiner Erfahrung die Aufstellung zu leiten, der Teilnehmer schaut zu und lässt alles auf sich wirken, ist dankbar für das, was sich entwickelt und zeigt, ist berührt und empfindet das Schlussbild als tiefgehende Lösung.

Der Unterschied: Allen – auch dem Teilnehmer – ist bewusst, dass er jederzeit die Möglichkeit gehabt hätte, mir zu widersprechen und mich aus meiner Leitungsposition zu entlassen, ohne dass ich auch nur das kleinste Anzeichen von Widerstand gezeigt hätte. Ganz im Gegenteil: Ich achte ihn als Chef seiner eigenen Aufstellung und unterstütze ihn in dieser Entscheidung, mich zu entlassen, ziehe mich zurück und warte ab, was er als nächstes zu tun gedenkt (ich helfe, indem ich nicht mehr helfe) – und ich unterstütze ihn auch in seiner nächsten Entscheidung (sofern es den Rahmen des Freien Aufstellens nicht verletzt, wie z. B. bei „grenzüberschreitenden Befehlen“ gegenüber anderen Teilnehmern). Der Teilnehmer könnte z. B. auch einen Stellvertreter als „lösendes Element“ dazustellen – oder auch mehrere davon – und beobachten, in welche Richtung die Wirkung geht.

 

Die Freien Systemischen Aufstellungen sind nicht geeignet für Menschen, die eine Therapie benötigen oder therapiert werden wollen. Hierfür sind die therapeutisch begleiteten oder geführten Familienaufstellungen mit einem qualifizierten einfühlsamen Therapeuten geeigneter, der die Verantwortung für die Therapie übernimmt.

 

Ich freue mich (denn es ist mein persönliches Anliegen als Musiker und „Hobby-Psychologe“, solche Wahlfreiheiten für Menschen immer häufiger und weit verbreitet möglich zu machen), wenn qualifizierte Therapeuten und ausgebildete Aufstellungsleiter die Freien Systemischen Aufstellungen in ihre Arbeit integrieren, indem sie bei ihren Klienten zunächst nachfragen, ob sie eine Therapie mit Verantwortungsübernahme durch den Therapeuten oder eine eigenverantwortliche Selbsterfahrung wünschen (oder vielleicht sogar einen abwechselnden Mix aus beidem). Und ist die Tendenz des Klienten mehr zur Selbsterfahrung, so begibt sich der Therapeut zusammen mit der Gruppe auf die untergeordnete Position in der Rangfolge, lässt seinen Klienten absolut frei über seine Aufstellung entscheiden und – wenn vom Klienten gewünscht – bietet seine persönlichen (qualifizierten) Sichtweisen, Meinungen und Erfahrungen während der Aufstellung dem Klienten zur Auswahl an – so wie auch alle anderen Gruppenmitglieder, wenn vom Klienten gewünscht. Gleichzeitig sorgt der Therapeut bei der Kommunikation dafür, dass der Klient sich weiterhin frei fühlt, bezogen auf seine Aufstellung tun und lassen und entscheiden zu dürfen, was er möchte, ohne dadurch persönlich angegriffen oder gewertet zu werden und ohne eine Information zu erhalten, dass er hier gerade etwas „falsch“ macht. Denn das Sammeln von Selbsterfahrungen und das Erleben von Folgen, seien es angenehme oder unangenehme, können niemals „falsch“ sein, wenn man Selbsterfahrung wünscht.  

 

 

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